Torte statt Golf: Was mit "Abschlag" in der Kieferorthopädie gemeint ist
04. Oktober 2021Kieferorthopädischer Abschlag – damit ist nicht etwa gemeint, dass der Kieferorthopäde Golf spielen geht. Tatsächlich geht es um Abschlagszahlungen, mit denen seine Leistungen im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung vergütet werden. Wie das genau funktioniert – und was das mit einer Torte zu tun hat.
Haben Sie sich auch schon mal gefragt, was die Positionen auf der Rechnung vom KFO bedeuten? Das Ganze ist zugegebenermaßen etwas kompliziert. Ein Erklärungsversuch.
Bevor eine kieferorthopädische Behandlung starten kann, macht der Arzt eine ausführliche Diagnostik. Anhand der Auswertung aller Unterlagen erstellt er dann das individuelle medizinische Behandlungskonzept. Anschließend geht es um die Frage, wer die Kosten für die Behandlung übernimmt.
Vor Behandlungsbeginn muss bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein Heil- und Kostenplan eingereicht werden, der die Einstufung in die Kieferorthopädische Indikationsgruppe (KIG) enthält. Nur bei einer KIG-Einstufung in den Gruppen 3-5 darf der Heil- und Kostenplan bei der gesetzlichen Krankenkasse eingereicht werden. Ist das nicht der Fall, eine kieferorthopädische Therapie aber trotzdem medizinisch erforderlich, wird ein medizinisches Behandlungskonzept wie beim privat versicherten Patienten erstellt.
Bei Privatpatienten ist es empfehlenswert, vor Therapiebeginn das medizinische Behandlungskonzept bzw. den Heil- und Kostenplan der Versicherung vorzulegen. Die genauen Bestimmungen zur Genehmigung und auch zur Erstattung kieferorthopädischer Leistungen sind im individuellen Versicherungsvertrag festgehalten.
Privat und gesetzlich: Das ist bei der Kieferorthopädie-Abrechnung anders
Die medizinische Diagnose wird in jedem Fall in einen Heil- und Kostenplan eingetragen. Der Diagnose sind bestimmte Abrechnungspositionen zugeordnet. Bei diesen Abrechnungspositionen gibt es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen gesetzlich versicherten und privat versicherten Patienten.
Für gesetzliche versicherte Patienten (GKV-Patienten) wird nach dem BEMA (= einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen) abgerechnet. Bei privat versicherten Patienten (PKV-Patienten) und Beihilfe-Patienten ist die GOZ (= Gebührenordnung für Zahnärzte) und GOÄ (= Gebührenordnung für Ärzte) Grundlage der Leistungsbeschreibung und Leistungsabrechnung. Die Laborleistungen werden nach der BEB (= Bundeseinheitliche Benennungsliste für zahntechnische Leistungen) abgerechnet. Bei PKV-Patienten gibt es keine KIG-Einstufung. Hier zählt die Diagnose des Arztes.
Einstufung der Schwierigkeit der kieferorthopädischen Behandlung
Zusammen mit der Diagnose stellt der Kieferorthopäde fest, welchen Umfang die kieferorthopädischen Maßnahmen voraussichtlich haben werden. Diese Beurteilung erfolgt dreimal: für den Oberkiefer, den Unterkiefer und für die Einstellung des Kiefers in den Regelbiss (also das korrekte Ineinanderbeißen von Ober- und Unterkiefer).
Bei GKV-Patienten gibt es vier Kategorien (Positionen 119, 120):
- Geringer Umfang
- mittlerer Umfang
- schwieriger Umfang
- besonders schwieriger Umfang
Bei PKV-Patienten gibt es nur drei Kategorien (Positionen 6030-6080):
- Geringer Umfang
- mittlerer Umfang
- schwieriger Umfang
Abrechnung beim Kieferorthopäden
Mit dieser Umfangseinschätzung legt der Arzt quasi ein Maßnahmenpaket fest: Darin sind alle Leistungen enthalten, die der Kieferumformung und der Retention (Haltephase) sowie dem korrekten Ineinanderbeißen der Zähne dienen. Die Leistungen werden innerhalb eines Zeitraums von bis zu vier Jahren erbracht, unabhängig von den angewendeten Behandlungsmethoden oder verwendeten Therapiegeräten (z. B. lose Zahnspange, feste Zahnspange).
Da vor allem in der GKV nicht für jede einzelne Tätigkeit eine Abrechnungsposition existiert, wurde die Abschlagszahlung eingeführt. Das ist sozusagen eine Pauschale, die abhängig vom festgelegten Umfang der Behandlung sämtliche durchgeführten Maßnahmen abdeckt, für die es keine separate Abrechnungsposition gibt. So sind z.B. vorbereitende Maßnahmen zur Herstellung von kieferorthopädischen Behandlungsmitteln, das Einsetzen von Behandlungsgeräten (z.B. lose Spange) oder die Erklärung der Wirkungs- oder Trageweise oder auch die Kontrolle des Behandlungsverlaufes in der Position zur Abschlagszahlung enthalten.
Je nach Einstufung der Schwierigkeit bzw. ermitteltem Umfang der geplanten kieferorthopädischen Maßnahmen ergibt sich also ein Abrechnungshonorar für die geplante Behandlung. Wie hoch es ausfällt, ist durch den BEMA oder die GOZ festgelegt. Zusätzlich zu den erforderlichen Abrechnungspositionen wird der Abschlag berechnet.
Bei gesetzlich versicherten Patienten erfolgt die Berechnung der Abschläge quartalsweise. Insgesamt können maximal zwölf Abschlagszahlungen abgerechnet werden.
Eine Ausnahme sind Frühbehandlungen: Hier sind maximal sechs Abschlagszahlungen möglich. Wird in einem Quartal keine kieferorthopädische Leistung erbracht, wird keine Abschlagszahlung abgerechnet. Die Behandlungszeit verlängert sich dementsprechend.
Torte statt vieler Worte
Womit wir beim Thema Torte angelangt wären. Zugegeben: Die kieferorthopädische Abrechnung ist kompliziert. Um die Abschlagszahlungen besser zu verstehen, kann man sich eine Torte vorstellen. Sie steht symbolisch für den Gesamtbetrag der Abschläge, die laut Behandlungsplan für die kieferorthopädische Behandlung fällig werden.
Die Torte wird bei gesetzlich versicherten Patienten (GKV) immer in zwölf gleichgroße Stücke geteilt. Zum Quartalsende darf ein Stück der Torte genommen werden. Bei einer Frühbehandlung gibt es nur eine halbe Torte mit sechs Stücken. Ist die Behandlung schon früher als nach zwölf bzw. sechs Quartalen abgeschlossen, können unter gewissen Umständen die restlichen Abschläge zum Quartalsende in Rechnung gestellt werden.
Die Abschlagszahlungen sind eine Art „Grundausstattung“ der KFO-Behandlung. Je schwieriger die Behandlung ist, desto mehr Kalorien hat die Torte (siehe Bewertungssystem). Die Torte wird je Kiefer und Einstellung der Bisslage in zwölf Tortenstückchen aufgeteilt (aktive Phase). Danach folgt eine "Diätphase" von vier Quartalen (Leerquartale). Immer, wenn der Patient zur Kontrolle kommt, darf ein Stück Torte pro Quartal genommen werden: für den Oberkiefer, für den Unterkiefer, für die Bisslage. Kommt der Patient in einem Behandlungsquartal nicht zur Kontrolle, bleibt das Tortenstück auf der Tortenplatte liegen und die Behandlung verlängert sich dementsprechend um ein Quartal.
Bei privat versicherten Patienten (PKV) erhält der Zahnarzt bzw. Fachzahnarzt für Kieferorthopädie auch eine Torte. Hier kann die Torte allerdings beliebig in gleichgroße Stücke geteilt werden. In der Regel wird die Torte entsprechend der veranschlagten Behandlungsquartale geteilt. Die Torte könnte aber statt in zwölf auch in acht oder vier Stücke geteilt werden oder sogar im Ganzen verteilt werden, auch wenn die Behandlung länger dauert.
Allerdings darf maximal einmal pro Quartal eine Abschlagszahlung abgerechnet werden. Die Rechnungsstellung muss nicht unbedingt zum Quartalsende erfolgen. Ist die Behandlung schon früher fertig als geplant, können die restlichen Abschläge im letzten Behandlungsquartal in Rechnung gestellt werden. Wenn die Abschlagszahlung nach GOZ-Nr. 6030-6080 im KFO-Behandlungsplan beispielsweise auf den 2,3-fachen Steigerungssatz gesetzt wurde, bedeutet dies nicht, dass dieser Faktor für alle Abschläge beibehalten werden muss.
Besondere Umstände während der Behandlung können zur Anhebung der Faktoren je Quartal führen. Ob nur einmalig ein Abschlag in dem jeweiligen Quartal erhöht wird oder alle Abschläge erhöht werden, bleibt dem behandelnden Arzt überlassen.
Quellen:
- Schopf P: Die Kieferorthopädischen Indikationsgruppen [KIG] I. Teil. Zahnärztlicher Gesundheitsdienst 2002; 32: 16–22
- Schopf P: Kieferorthopädische Abrechnung: BEMA, KIG, GOZ 2012/GOÄ. Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin 2013
- Das Gesundheitsportal medondo.health
- Kurzverzeichnis Kieferorthopädie; Spitta Verlag; Heike Herrmann; 2013