Diagnostische Standards in der Kieferorthopädie

05. Mai 2022

Kieferorthopäden weisen schon länger auf die Bedeutung gründlicher Diagnostik hin – unter anderem, weil Aligner-Start-ups ihrer Meinung nach Standards unterschreiten. Doch welche Untersuchungen müssen wann gemacht werden? Ein Positionspapier schafft Klarheit.

Egal ob feste Zahnspange, transparente Schienen oder ein anderes KFO-Gerät: Vor dem Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung braucht es eine gründliche Diagnostik. Nur so lässt sich die Behandlung individuell planen, das Risiko für Komplikationen minimieren und der Behandlungserfolg optimieren. Seit längerer Zeit warnen Kieferorthopäden vor kommerziellen Aligner-Anbietern, die mit scheinbar günstigen Angeboten für transparente Schienen werben. Sie befürchten, dass die sorgfältige Diagnostik bei diesen Geschäftsmodellen nicht immer gemacht wird. Häufig war von einer Standardunterschreitung die Rede. Doch welche Standards gelten bei kieferorthopädischen Korrekturen? Dazu hat die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) nun ein Positionspapier herausgebracht.

Kieferglenksbeschwerden müssen vor einer Zahnspange  abgeklärt werden
Die diagnostische Abklärung alle Befunde am Kiefer ist wichtig I Quelle: pixabay

 

Das steht im Positionspapier der DGKFO

Welche Untersuchungen sind bei welchen Patienten und in welchen Situationen notwendig? Um das beurteilen zu können, braucht der Kieferorthopäde umfassendes Wissen – nicht nur über Zahnfehlstellungen, sondern auch über die Funktion von Zähnen und Kiefern, Gesicht und Mund, über Erkrankungen und Fehlbildungen des Skeletts, der Mundschleimhaut, des Zahnhalteapparats und der Kiefergelenke. Er muss wissen, welche Grunderkrankungen und Medikamente sich auf die Behandlung auswirken können. 

in Röntgenbild zur Diagnostik vor Kieferorthopädie ist wichtig
Die gründliche Analyse der Röntgenbilder ist Standard I Quelle: pexels

Zunächst stellt der Kieferorthopäde deshalb Fragen und hört sich an, was der Patient zu sagen hat. Hat er Beschwerden? Was ist sein Anliegen? Gab oder gibt es Probleme z.B. mit den Kiefergelenken oder im HNO-Bereich? Knirscht der Patient mit den Zähnen? Gab es Unfälle mit Beteiligung der Hals-Wirbel-Säule (Schleudertrauma)? Liegen Grunderkrankungen oder Allergien vor? Wie ist der psychosoziale Hintergrund? Der Kieferorthopäde betrachtet also den ganzen Menschen.

Ausgehend von seiner Anamnese schaut er sich dann Gesicht, Mund, Zähne und Kiefer und Haltung genau an. Bei Kindern ist der Stand der Gebissentwicklung wichtig, aber auch der Zustand von Zähnen und Zahnhalteapparat und die Mundhygiene wird überprüft. Eine zuverlässige und gründliche Mundhygiene ist bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Grundvoraussetzung. Liegt zum Beispiel eine Parodontitis vor – was bei jedem zweiten Erwachsenen der Fall ist – muss diese vor einer Zahnspangenbehandlung  behandelt werden. Ansonsten kann die Entzündung sich verschlimmern und Zähne locker werden bzw. nach der Zahnbewegung nicht mehr fest. Schließlich sind bei einer Zahnspangen- oder Aligner-Therapie Zahnbewegungen erforderlich. Ebenso müssen Kiefergelenksprobleme (CMD) ausgeschlossen werden. Auch sie müssen behandelt sein, bevor die kieferorthopädische Therapie starten kann.

Um Zahnwurzeln, Kieferknochen und Kiefergelenke genauer zu beurteilen, wird immer auch ein Röntgenbild gemacht – oder sogar zwei. So kann der Kieferorthopäde absehen, ob ein erhöhtes Risiko für Komplikationen besteht und die Behandlungsplanung entsprechend anpassen. Gewerbliche Aligner-Anbieter hingegen haben häufig gar kein Röntgengerät in ihrer Niederlassung.

Quellen: